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FALTER, Nr. 24/03
Paradeprobleme
STRASSENUMZÜGE Die Wiener Love
Parade hat Konkurs angemeldet, und auch die alternative FreeRePublic
kämpft mit Schwierigkeiten: Die Polizei droht der Kundgebung
ihren politischen Charakter abzusprechen.
THOMAS PRLIC
Weltfriedens-Demo oder sinnentleertes Partyspektakel, ein
lebendiger Ausdruck von Jugendkultur oder schlicht kommerzielle
Abzocke: Zumindest die alljährlichen Diskussionen bleiben
den Machern der Wiener Love Parade heuer erspart. Während
der Berliner Urversion des Straßenumzuges im vergangenen
Jahr der Status einer politischen Demo aberkannt wurde, fällt
das Wiener Pendant heuer überhaupt aus - die Veranstalter
sind pleite. "Wirtschaftlich hat die Sache schon vom
ersten Jahr an nicht funktioniert", sagt Christian Muzik,
einer der drei Organisatoren der Parade. Den Veranstaltern
gelang es nie, genügend Sponsoren für den rund 360.000
Euro teuren Umzug an Land zu ziehen. "Es ist ein weit
verbreitetes Missverständnis, dass wir jemals etwas damit
verdient haben." Heuer zogen die Paradisten schließlich
die Notbremse, die Love-Parade-Gesellschaft meldete Konkurs
an.
Ganz ohne Sponsoren und Werbebanner will die FreeRePublic-Parade
seit zwei Jahren zeigen, dass man DJ-Musik auch mit politischen
Statements verknüpfen kann. Bisher tuckerte die Alternativ-Kundgebung
ähnlich der Loveparade auf LKWs über den Ring. Kommenden
Samstag wollten die Organisatoren die "FreeRePublic 03"erstmals
an einem fixem Standort abhalten - dem Karlsplatz.
Vergangene Woche verweigerte die Polizei jedoch die Genehmigung
für die Veranstaltung. Laut Mitorganisator Martin Wassermair
vom Netzkultur-Institut Public Netbase hätten die Exekutivbeamten
erklärt, dass die Kundgebung am Karlsplatz aus Rücksicht
auf die umliegenden Veranstaltungsorte wie den Musikvereinssaal
oder die Staatsoper verboten werden müsse. "Es wurde
auch angedeutet, dass uns im Nachhinein der Charakter einer
politischen Versammlung abgesprochen werden könnte. In
den Jahren davor stand das immer außer Streit."
Die Veranstalter müssten im Falle der Aberkennung als
politische Demo nicht nur den Polizeieinsatz bezahlen, sondern
auch für anschließende Reinigungskosten aufkommen.
Laut Wassermair wären alleine für das Polizeiaufgebot
etwa 20.000 bis 25.000 Euro fällig. "Das ist eine
Form von Zensur."
Neben diversen DJ-Crews und Clubveranstaltern machen auch
heuer wieder Gruppen aus dem Sozial-, Kultur- und Bildungsbereich
- etwa die ÖH, SOS-Mitmensch oder die IG-Kultur - bei
der Kundgebung mit. Entsprechend breit gefächert ist
auch der Forderungskatalog der Aktivisten - von der Abschaffung
von Studiengebühren und Schubhaft über eine "aktive
Friedenspolitik", "für eine Vielfalt freier
Medien", bis hin zu "mehr Freiräumen statt
der Kriminalisierung von Jugendkultur".
Warum die FreeRePublic heuer ihren politischen Status verlieren
könnte, erklärt ein Beamter aus der zuständigen
Abteilung der Wiener Polizei damit, dass sich der Inhalt der
Kundgebung im Vergleich zum Vorjahr geändert hätte.
Weil vergangene Woche noch keine neue Anmeldung bei der Polizei
vorlag, wollte sich der Beamte aber nicht weiter dazu äußern.
Der angemeldete "Umzug um den Karlsplatz" sei jedenfalls
wegen der Sperre des Schwarzenbergplatzes nicht genehmigt
worden - nach eigenen Angaben wollen die Aktivisten diesmal
aber gar keinen Umzug veranstalten. Die Organisatoren haben
sich den politischen Charakter ihrer Veranstaltung mittlerweile
von einem Rechtsgutachten bestätigen lassen, und wollen
die Kundgebung auf alle Fälle abhalten. "Wir lassen
uns nicht aus dem Zentrum verdrängen", sagt Martin
Wassermair. Wo die FreeRePublic diesmal tatsächlich stattfindet,
soll erst im Lauf der Woche bekannt gegeben werden.
Fix ist dafür schon die Route der Regenbogenparade,
die den Wienern nach dem Ausfall der Loveparade als einziger
Straßenumzug erhalten bleibt. Die traditionelle Parade
der Queer Community soll am 28. Juni über den Ring ziehen
- vergangene Woche wussten die Organisatoren jedenfalls von
keinen irgendwie gearteten Behördenproblemen zu berichten.
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