TELEPOLIS
- magazin der netzkultur
F.E. Rakuschan 06.03.2000
::Tiefdruck im Habit.at
:Gibt es eine neue Politisierung
in Österreich?
Das ist der tragikomische Aspekt an der gegenwärtigen
Situation: Die historisch bedingte sozialpartnerschaftliche
Konsenspolitik der 2. Republik - die auf der Geschichtslüge
aufgebaut wurde, Österreich wäre das erste
Opfer von Hitler-Deutschland gewesen - hat hier über
Jahrzehnte ein weitgehend ideologiefreies Politklima
geschaffen. Die öffentliche Austragung antagonistischer
Konflikte in der Gesellschaft bis hin zur Streikmaßnahme,
wie sie auch in vielen europäischen Ländern
zur ganz normalen politischen Praxis gehört, galt
hier bislang schon als Katastrophe.
Nicht wenigen jungen Menschen hierzulande wird erst
jetzt bewusst, dass die verschiedenen politischen Parteien
grundsätzlich für unterschiedliche ideologische
Orientierungen stehen. Die vielfältigen Anzeichen
einer Widerstandskultur können auch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass ein differenziertes politisches
Denken im weiten Spektrum der Protestbewegung noch sehr
mangelhaft ausgeprägt ist. Zu schnell wird bspw.
vergessen, dass die Sozialdemokratie im neoliberalistischen
Aufwind eine Menge Zugeständnisse an Haider im
Hinblick auf Ausländerpolitik und Sozialabbau gemacht
hat - und das ungeachtet seiner Aussagen. Daran ändert
aber nichts am eigentlichen Skandal, dass die christlich-soziale
Wirtschaftspartei ÖVP ein Regierungsbündnis
mit der FPÖ eingegangen ist und damit eine tendenziell
faschistoide Partei nobilitiert hat. Die Demonstrationen
im In- und Ausland, der Protest der 14 EU-Länder
und die über Österreich verhängten Sanktionsmaßnahmen
haben einzig schon aufgrund dieser Tatsache ihre volle
Berechtigung.
Einschüchterungsversuche und vorauseilender Gehorsam
Die Konsequenzen dieser Regierung werden aber erst
dann ihr volles Ausmaß erreichen, wenn es der
FPÖ gelingt, weitere Schlüsselstellungen der
Macht zu erobern. Die öffentlich-rechtliche Medienanstalt
ORF, bislang vom Proporz zwischen SPÖ und ÖVP
geprägt, ist schon vier Wochen nach Regierungsantritt
ein politisch heiß umkämpftes Terrain. Vorrangig
der FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler, Mitglied
im ORF-Kuratorium, hat mit verbalen Einschüchterungsversuchen
den Angriff eröffnet.
Als Reaktion darauf fand sich am 25. Februar der aktuelle
Dienst zu einer Redakteursversammlung ein. In der danach
erfolgten Aussendung ist zu lesen, dass der Zeitpunkt
gekommen sei, "wo wir uns mit aller Kraft gegen
die ununterbrochenen, diffamierenden Aussagen und Einschüchterungsversuche,
die gegen Redakteure und Informationsintendant gerichtet
sind, wehren müssen". Generalintendant Gerhard
Weis steht voll, wie der ansonst Interviewscheue neuerdings
mehr öffentlich kundtut, zur parteipolitischen
Unabhängigkeit des Unternehmens und gab für
seine Mitarbeiter Haltungsempfehlungen aus. Diese enthalten
auch Weisungen wie, ORF-Mitarbeiter sollen sich an keinen
Demonstrationen beteiligen und Moderatoren von Ö1,
Ö3 und FM4 ist es untersagt, Kommentare dazu abzugeben;
im Klartext: über Termine, Orte und Vorfälle
soll Stillschweigen herrschen. Mit einer Umwandlung
des Rundfunkgesetzes in ein ORF-Gesetz, wie im Regierungsübereinkommen
vorgesehen, haben FPÖVP allerdings auch schon die
Voraussetzungen für eine nachhaltigere Einflußnahme
geschaffen.
Ausgerechnet in Kultursendungen des ORF, wie "Kunststücken"
und "Treffpunkt Kultur", gab es Anzeichen
von vorauseilendem Gehorsam. So wurde im ersten Falle
der Wiener Sprachwissenschaflerin Ruth Wodak untersagt,
die als Beispiele für rassistischen Sprachgebrauch
in Interviews gefallenen Sätze von Jörg Haider
und Helene Partik-Pablé mit Namensquelle anzuführen
(mehr derartiger Zitate und entsprechende Stilblüten
aus der Boulevardpresse unter www.aktion-zivilcourage.at/quickframe.html).
Und erst im letzten Moment wurde der Kabarettist Alfred
Dorfer doch noch zur Sendung "Treffpunkt Kultur"
eingeladen, obwohl man ihm davor mitgeteilt hatte, der
ORF wolle sein neues Programm nicht bewerben. Für
mehr öffentliche Aufregung sorgte der Fall um die
FM4-Redakteure Stermann und Grissemann, die sich frei
nach Schlingensief ("Tötet Kohl") - allerdings
nicht via Äther - für die Erschießung
Haiders aussprachen und als Täter vorschlugen:
"Irgendjemand, der nur noch zwei Monate zu leben
hat." Auf der Homepage von FM4 nehmen sie in einem
Schreiben an ihre Fans dazu Stellung.
Aus für Konsenskultur !?
Noch während der großen Koalition von SPÖ
und ÖVP herrschte als österreichisches Spezifikum
ein relativ enges Verhältnis zwischen den Kulturschaffenden
des Landes und dem Staat; nicht zuletzt aufgrund einer
Subventionspolitik, die auch die Unterstützung
der zeitgenössischen Kunst zu einer ihrer Aufgaben
machte. Der noch im SPÖVP-Papier enthaltene Passus,
dass die zu gründende Nationalstiftung auch der
"zusätzlichen Förderung zeitgenössischer
Kunst" dienen solle, wurde von der neuen Regierung
gestrichen. Fix ist die deklarierte Absicht, Volkskunst
zu fördern und die Kunst eher dem Kräftespiel
des Marktes zu überlassen. Kunststaatssekretär
Franz Morak, ÖVP, ehemaliger Burgtheater-Mime,
wird zwar bemüht sein, den Unmut der Kulturschaffenden
so gut wie möglich zu besänftigen, mit ihm
persönlich wolle man aber nicht verhandeln, so
wurde unlängst bei einem Treffen von Leitern diverser
Kunstkultur-Institutionen vereinbart. Die FPÖ hat
ja schon in der Vergangenheit zum Teil mit Plakataktionen
gegen progressiv-kritische Positionen in der Kunst den
Kulturkampf eröffnet. Und dass Andreas Mölzer,
der ehemalige Waffenstudent mit Lob auf den Nationalsozialismus,
der Kulturberater des Kärntner Landeshauptmannes
Jörg Haider ist, hat im Regierungspapier deutliche
Spuren hinterlassen.
Auch Teile der Prominenz in Kunst und Kultur demonstrieren
mit Nachdruck den Widerstand. Nach einer spontanen Besetzung
der Bühne des Burgtheaters durch Demonstranten
in der ersten Woche unter der neuen Regierung, begrüßt
Peymann-Nachfolger Klaus Bachler, dass einmal wöchentlich
nach der Vorstellung öffentliche Diskussionen im
Hause stattfinden. Auch in dem von Emmy Werner geleiteten
Volkstheater gibt es kontinuierlich derartige Diskussionsrunden.
Die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek
untersagt die Aufführungen ihrer Stücke auf
einer heimischen Bühne, solange die von Jörg
Haider geführte FPÖ mit in der Regierung sitzt.
(Am 28. Februar hat Haider öffentlich erklärt,
als Parteiobmann der FPÖ zurückzutreten. Nachfolgerin
wird die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, eine enge
Vertraute von Haider. Der Nurmehr-Landeshauptmann Haider
hat aber zugleich angekündigt, in vier Jahren als
Bundeskanzler in die Regierung zurückkehren zu
wollen. Haider bleibt demnach weiterhin Schattenkanzler.)
In einer Erklärung unter dem Titel "Kulturnation
Österreich" haben über hundert KünstlerInnen
der neuen Regierung die moralische Qualifikation abgesprochen,
"im Namen der Kunst und Kultur zu sprechen".
Für Aufregung und Debatten unter den bildenden
Künstlern des Landes sorgte der Aufruf des in Frankreich
lebenden Kurators Robert Fleck, Österreich zu boykottieren
und den dort lebenden KünstlerInnen lediglich individuelle
Hilfe zukommen zu lassen. Fleck sagte alle Projekte
in Österreich ab. Es erübrigt sich über
den Unsinn dieses Aufrufs weitere Worte zu verlieren,
zumal Fleck in einem Jahre zurückliegenden Kunstskandal
verwickelt ist, der ihm jedweden Anspruch auf eine moralische
Instanz für immer verwehrt. Die Multimediakünstlerin
Valie Export hat am 1. März, entgegen ihrer ersten
Ankündigung, doch den Oskar-Kokoschka-Preis angenommen,
allerdings unter der Bedingung, diesen Preis keinesfalls
von einem Minister überreicht zu bekommen. Genau
so ist es auch abgelaufen.
Zivilgesellschaftliche Biotope
"Ich rechne damit, dass noch einmal ein emotionaler
Überschwang am Wochenende kommen wird (...), wo
sich die Altlinken, die 68er, die Jungen und die Internet-Generation
noch einmal austoben können. Dann wird es irgendwann
einmal in die Normalität hineingehen." Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel, 18.02.00.
Auch wenn die noch täglich stattfindenden öffentlichen
Protestkundgebungen verschiedenster Art mit der Zeit
zahlenmäßig abschwellen werden, wird sich
die Sehnsucht von Schüssel nach Normalität,
die er in einem Interview vor der letzten Großdemonstration
in Wien am 19. Februar zum Ausdruck gebracht hat, eher
nicht erfüllen. Dazu hat er kräftig mit seinem
persönlichen Opportunismus beigetragen. Und etwa
250 000 Menschen haben am 19. Februar öffentlich
bekundet, dass sie sich von dieser Regierung nicht vertreten
lassen wollen. Fraglos haben die neuen Umstände
dazu geführt, dass in die diversen Polit-Kultur-Szenen
des Landes Bewegung gekommen ist. Die Websites der Widerstandskultur
schießen wie Pilze aus dem elektronischen Humus
und verschwinden teils ebenso schnell wieder. Via Email-Listen
und SMS können innerhalb kürzester Zeit viele
Menschen für Kundgebungen, Diskussionsveranstaltungen
u. ä. mobilisiert werden. Auch die freien Radios
wie Radio Orange in Wien oder Radio FRO in Linz tragen
wesentlich dazu bei. Nur innerhalb von zwei Tagen gelang
es bspw., dass am 2. Februar überwältigende
15 000 Teilnehmer gegen die neue Regierung protestiert
haben.
Viele Initiativen haben sich aufgrund der besorgniserregenden
Entwicklungen in Östereich schon in der Zeit vor
der Regierungsbildung formiert (z.B. SOS-Mitmensch).
Nicht zuletzt der Fall des Nigerianers Marcus Omofuma,
der bei seiner Abschiebung in Polizeigewahrsam zu Tode
gekommen ist, hat viele kritische Menschen in Österreich
geschockt und zum öffentlichen Protest veranlasst
( Rassismus.at). Eine offene Plattform engagierter KünstlerInnen,
die als spontane Reaktion auf das Wahlergebnis vom 3.
Oktober 1999 begründet wurde, macht sich seitdem
zur Aufgabe, "mit gezielten Aktionen gegen die
Institutionalisierung von Rassismus, Sexismus und Nationalismus
in Österreich" zu kämpfen ( Get To Attack).
Mit dem selben Anspruch gibt es viele weitere Initiativen,
sowohl in der Bundeshauptstadt als auch in den Bundesländern:
www.demokratische-offensive.at/
o5.or.at/
www.government-austria.at
www.zivildienst.at/protest/kunst.htm
www.kultur.at/cgi-bin/f_kultur_00.cgi
www.gegenschwarzblau.net/ooe/inhalt/kanal.htm
www.undergroundresistance.org
www.ceiberweiber.at
www.betazine.org
AV-Dokumente finden sich bspw. unter hrt.sil.at/widerstand
und www.webfreetv.com/direct/antirassismusdemo.html.
Und unter www.t0.or.at/stickers/ lassen sich diverse
Demo-Stickers ausdrucken. Unter www.austria2.org/titus.html
gibt es Stellungnahmen von Betroffenen und Beobachtern
im Zusammenhang von Polizeigewalt.
"Move your popo and your ass will follow!"
Ein Slogan wie dieser ist geradezu typisch für
Widerstandsformen von heute; popo steht übrigens
für: politische Potentiale. Kaum etwas lässt
sich mit den Emanzipationsbewegungen der 60er und 70er-Jahre
vergleichen. In einer zivilgesellschaftlich-politischen
Praxis finden heute individualisierte Egomanen zusammen,
oft nur temporär in Form von losen Kopplungen interner
Beziehungen, wobei Minimalkonsens und verwandte Interaktionslogiken
(Münch 1996) schon als ausreichend erachtet werden.
Aber gerade die gesellschaftliche Fragmentierung, Segmentierung
und Diversifizierung, die Vielfalt und Widersprüchlichkeiten
von Einstellungen und Selbstbezügen, das Denken
in Brüchen, Recycling - Sample, Mix und Remix -
u. ä. m., garantieren der Zivilgesellschaft in
der Instabilität dynamisch-komplexer Prozesse die
erforderliche Qualität und Funktion. Dass es trotz
der Jahrzehnte andauernden Konsenspolitik in Österreich
auch hier politische Potentiale für den Aufbau
einer Zivilgesellschaft gibt, ist nicht mehr zu übersehen.
Der Begriff Zivilgesellschaft prangt auch auf vielen
der neu entstandenen Websites. Aber noch ist es ein
weiter Weg dorthin.
Der Rückgriff auf den zivilgesellschaftlichen
Republikanismus hat zwar durch die Regierungsbildung
in Österreich hier schlagartig an Aktualität
gewonnen, ist aber spätestens mit dem Aufkommen
des Neoliberalismus zum Thema für alle demokratischen
Kräfte geworden, die sich mit dem Faktum von 20:80-Gesellschaften
nicht abfinden wollen. Über den aktuellen Anlaßfall
der schwarz-blauen Allianz hinaus, soll demnach nicht
vergessen werden, dass die strategischen Instrumente
der amerikanischen und europäischen Wirtschaftspolitik
- Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung
(nach Beck: Globalismus) - seit zirka zwei Jahrzehnten
die strukturellen Konfigurationen der Hegemonie, unter
der Losung
"Freiheitskampf für das Kapital", weltweit
neu formiert haben. Gerade das Auseinanderdriften von
Sozial- und systemintegration auf Grund des Globalismus
stellt die Nationalstaaten vor neue Fragen, die nur
radikaldemokratisch durch die Schaffung von Zivilgesellschaften
beantwortet werden können.
"Für eine demokratische Politik der Globalisierung
kann dies nur bedeuten, dass sie auf der Ebene der Supranationalität
zwangsläufig liberal, als Gegengewicht dazu aber
auf lokaler Ebene eher republikanisch konstituiert sein
muss." (Stark 1999)
sektor3/kultur: Kampfbegriff und zivilgesellschaftlicher
Sektor im Bereich der Kultur
Ein Diskurs zu Zivilgesellschaft ist zwar in Teilen
intellektueller Kreise in Österreich vorhanden,
bedarf aber noch weiterer Diskussionen und nicht zuletzt
einer thematischen Bündelung, um ein solches Unternehmen
im Bewusstsein vieler Menschen zu verankern. Schon 1992
haben die Autoren in einem "programmatischen Entwurf
für eine Kulturpolitik für die neunziger Jahre"
(Bernard/Harauer/Reiter/Smudits/Stocker 1992) einen
"Neuen Sektor" hierzulande ausgemacht. Die
Matrix dieses Sektors ist die Soziokultur (analytisch
in Abgrenzung zur Kunst-/Repräsentationskultur
und zur Massen-/Medienkultur verstanden), die sich im
Zusammenhang dezidiert emanzipatorischer und partizipatorischer
Diskurse unter dem Begriff ´das Politische´
(Lefort) schon seit den 60er-Jahren ausgebildet hat.
Seit Dezember 1995 hat sich ein grenzüberschreitender
Diskussions- und Aktionszusammenhang ausgebildet, der
nach Konferenzen und Symposien zunehmend unter dem Label
sektor3/kultur in die Debatte eingreift. sektor3/kultur
versteht sich erstmal als Kampfbegriff und als Bezeichnung
des zivilgesellschaftlichen Sektors im Bereich der Kultur.
Der sektor3/kultur ist fraglos am Evolutionsstrang der
Soziokultur zu situieren, ist aber insofern ein neuer
Sektor, da er in einem regen Interpenetrationsverhältnis
zu den anderen kulturellen Bereichen (in obiger Unterscheidung)
steht. Diese Feststellung soll keinesfalls über
die bestehenden Exklusionsmechanismen zwischen den kulturellen
Bereichen und
den Subsektoren hinwegtäuschen. Der sektor3/kultur
ist dennoch ein neuer Sozialraum, der nicht zuletzt
auch durch die Virtualisierung des Sozialen (Neue Medien)
formiert wurde und wird; Stichwort: Netzkultur.
Zwischen dem 31. 03. und 2. 04. 00 veranstaltet die
IG Kultur Österreich eine Konferenz "zu den
zivilgesellschaftlichen Facetten des kulturellen Feldes",
wo n. a. auch die Handlungsträger von sektor3/kultur,
bspw. VertreterInnen von Kulturvereinen, freien Radios
und Knotenbetreiber elektronischer Netzwerke zu Wort
kommen werden. Den Kulturschaffenden dieses Landes steht
ein gravierendes Umdenken bevor. Denn eine Zivilgesellschaft,
die auf die Dekonstruktion linker Traditionen setzt,
sich also deutlich von der kommunitaristisch-neoliberalistischen
Version einer Bürgergesellschaft abgrenzt, sucht
nicht den Konsens mit der Staatsmacht, etwa indem diese
im Falle sozialer Aufgaben aus der Pflicht entlassen
wird, sondern ist mit dieser nur verbunden durch die
gründende Funktion des Konflikts.
Nachtrag zur Opernball-Demo: Antifaschistischer Karneval
gegen Rechtswalzer
Noch in den 80er-Jahren waren die Kundgebungen gegen
den Opernball vorrangig klassenkämpferisch motiviert
und endeten zumeist heftig im Gerangel mit der Polizei.
In den 90ern so gut wie verschwunden, fand die Opernball-Demo
als "antifaschistischer Karneval" gegen die
schwarz-blaue Regierung nun ihre glanzvolle Auferstehung.
In den Abendstunden des 2. März zogen bis zu 15
000 teils verkleidete Teilnehmer mit Trillerpfeifen
und anderen Lärminstrumenten bewaffnet, von der
Sammelstelle Ballhausplatz kommend, durch die Innenstadt
rund um die Wiener Staatsoper. Die Polizei hatte das
Gelände um die Oper großräumig abgesperrt.
Einzig der Schauspieler Hubsi Kramer, entstieg - als
Hitler verkleidet - einem weißen Rolls-Royce und
schaffte es, einige Meter in das Opernhaus zu gelangen.
Kramer und der Chauffeur wurden von der Polizei verhaftet.
In den späteren Nachtstunden gab es zwar immer
wieder Versuche von kleineren Gruppen, Absperrungen
zu durchbrechen, was Scharmützel mit der Polizei
zur Folge hatte, im Ganzen verlief aber die Demo ohne
größerer Zwischenfälle.
Wie erst am Freitag bekannt wurde, kam es allerdings
am Rande der Demo zur Verhaftung von zwei Personen in
einer Vorgehensweise, die - gemessen an österreichischen
Verhältnissen bisher - als äußerst ungewöhnlich
bezeichnet werden muss. Zwei Männer seien von "vermummten
Beamten in Zivil" aus einem Taxi gezerrt worden,
so lauten die Angaben mehrerer Augenzeugen dazu. Ein
Kamerateam, das im Auftrag des Grünen-Parlamentsklubs
Filmaufnahmen über die Demo machte, war zufällig
vor Ort und zeichnet den Vorgang auf. Auf Anfragen ließ
die Staatspolizei verlauten, bei den Verhafteten handle
es sich um "Rädelsführer bei Aufrufen
zu Gewalt gegen die Polizei."
Einige prominente Besucher aus dem Ausland hatten
schon vor Tagen ihren Besuch des Opernballs aus Protest
gegen die neue Regierung abgesagt.
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