"ORF
Kultur"-online, 25.09.2000
::Von Böcken und Schafen Konrad
Becker hinter Gittern?
Public
Netbase im Orkus österreichischer Netzgeschichte verschwunden?
Ein letzter Ausweg ist in Sicht.
Von Simon Hadler
Bereits
vor einigen Monaten kündigte Anreas Khol, Klubobmann
der Österreichischen Volkspartei, in Bezug auf Subventionen
durch die neue Regierung an, dass man "Böcke von Schafen"
zu trennen haben werde. Mit Public Netbase t0 ist dieser
Tage wohl einer der bösesten "Böcke" nur knapp der Schlachtbank
entronnen.
Bald obdach- und mittellos?
Zur
Erinnerung: Der Mietvertrag der Netzkulturinitiative
wurde von Seiten der Museumsquartier Errichtungsgesellschaft
für die Dauer anstehender Umbauarbeiten ab April 2001
gekündigt. Es wurde weder ein Ersatzquartier angeboten,
noch der Wiedereinzug in Aussicht gestellt.
Und
die jährlichen Subventionen des Bundes in der Höhe von
2,3 Millionen Schilling wurden für das Jahr 2000 bis
heute - Ende September - nicht bewilligt. Stattdessen
beauftragte Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) das
Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG Alpentreuhand mit
der Evaluierung des wirtschaftlichen Gebahrens der Truppe
rund um den Medienkünstler Konrad Becker.
Gutes Zeugnis
Die
Rohfassung des Berichtes stellt Public Netbase ein durchwegs
positives Zeugnis aus. "Hinsichtlich der satzungsmäßigen
und dem Förderzweck entsprechenden Verwendung der Einnahmen
haben sich keine Beanstandungen ergeben." Das ist der
Schlüsselsatz des Rohberichts der KPMG Austria. Auch
bei der Prüfung der Buchführung über den Bargeldbestand
sowie über das Anlageverzeichnis wurden keinerlei Unregelmäßigkeiten
festgestellt.
Kritisiert
wurde lediglich das Fehlen von verpflichtenden Betragsgrenzen
für die Einholung mehrerer Anbote bei Anschaffungen,
sowie die bisher fehlende Trennung von Kassaführung
und Buchhaltung und das nicht immer dokumentierte Vier-Augen-Prinzip
bei Überweisungen. Public Netbase will auf die Kritikpunkte
bereits reagiert haben.
Trotz
des überaus positiven Rohberichts ist die Lage für Public
Netbase weiterhin kritisch. Man befürchtet, dass sich
die Erstellung einer Endfassung des Berichts verzögern
könnte - und damit auch die Entscheidung des Staatssekretariats
über Subventionsvergabe.
Wien ist anders
Im
Angesicht dieser Tatsachen erklärte sich die Stadt Wien
bereit, für die höchstwahrscheinlich entfallenden Subventionen
des Bundes einzuspringen. Die SPÖ-Finanzstadträtin Brigitte
Ederer sagte mündlich eine Projektsubvention der im
November in Wien stattfindenden Ausstellung mit angeschlossenem
Symposion "WorldInformation.org" in der Höhe von 5,9
Millionen Schilling zu. Auch Kulturstadtrat Peter Marboe
(ÖVP) signalisierte seine Zustimmung zur Förderung.
Finanzielle
Verpflichtungen wurden eingegangen, für die der Vorstand
von Public Netbase und Konrad Becker persönlich haften,
eine entsprechende EU-Subvention aus dem Programm "culture
2000" in der Höhe von 2 Millionen Schilling wurde beantragt,
genehmigt und in die Vorbereitungen investiert. Ohne
Förderung der Stadt Wien könnte das Projekt nicht über
die Bühne gehen - und auch die Unterstützung von der
EU müsste refundiert werden.
Beckers Albträume
Dementsprechend
blank liegen die Nerven Beckers angesichts der Tatsache,
dass die Förderung der Stadt Wien von Seiten der ÖVP
während der letzten beiden Wochen in Frage gestellt
wurde.
Man
sieht dem international anerkannten Künstler an, dass
es ums Ganze geht: "Die Frage ist nicht, wie die Zukunft
der Netbase ausschauen wird. Es geht jetzt darum, ob
wir nächste Woche überhaupt noch das Telefon abheben
können. Schlimmer noch: Man wird mir den Preis der Stadt
Wien für bildende Kunst im November vielleicht im Gefängnis
überreichen müssen."
Kategorisches ÖVP-"Njet"
Hinter
Beckers Angst stehen Aussagen des Wiener Vize-Bürgermeister
Bernhard Görg (ÖVP), die er gegenüber Medien während
der letzten Woche tätigte. Demnach würde er einer Förderung
der Netzkulturinitiative keinesfalls zustimmen.
Schutzpatron Häupl?
Aber
inzwischen wurde das heiße Eisen Public Netbase t0 auch
in der SPÖ zur Chefsache erklärt. Am Landesparteitag
vor zehn Tagen legte sich Bürgermeister Michael Häupl
rhetorisch für die Wiener Vernetzer ins Zeug, will man
doch in der Donaumetropole ein politisches Gegenmodell
zur konservativen Wenderegierung entwickeln. Man dürfe
Public Netbase nicht zum politisch motivierten Abschuss
freigeben, meinte das rote Stadtoberhaupt sinngemäß.
Umstrittenes Geheimdossier
Im
Büro Görg jedenfalls will man über ein Geheimdossier
verfügen, in dem Public Netbase regierungsfeindliche
Aktivitäten nachgewiesen werden. Konrad Becker glaubt
zu wissen, woher das ominöse Papier stamme: "Es gibt
einen ehemaligen Mitarbeiter, von dem wir uns auf Grund
seiner mutmaßlichen psychischen Probleme trennen mussten.
Der hat schon uns immer mit Verschwörungstheorien aller
Art gequält. Aber das werden die Gerichte klären."
Außer
Streit steht, dass sich Public Netbase t0 in Regierungskreisen
seit der konservativen Wende keine Freunde gemacht haben,
weil auf ihrem Server "Widerstands"-Websites wie "get
to attack" oder "volkstanz.net" Platz finden.
Görg drückt ein Auge zu
Aber
schließlich ist politische Missliebigkeit in Österreich
kein Ablehnungsgrund für Subventionen - und auch Demonstrieren
ist legal. Internen Informationen zufolge haben sich
der Wiener Bürgermeister und sein Vize in der Causa
Public Netbase doch noch geeinigt: Görg bleibt zwar
bei seinem "Nein" zur Förderung, wird aber einen positiven
Beschluss von SPÖ, Liberalem Forum und Grünen im Gemeinderat
akzeptieren, ohne die Koalitionsfrage davon abhängig
zu machen.
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