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TELEPOLIS - magazin der netzkultur
F.E.Rakuschan 17.05.2000


::Kampfplatz Museumsquartier

Der Kulturkampf in Österreich ist eröffnet, zentraler Schauplatz ist das noch im Bau befindliche Museumsquartier in Wien. Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) und Koalitionspartner FPÖ haben wenig Freude mit den dort (noch) ansäßigen Institutionen Public Netbase t0 und Depot. Möglicherweise wird Morak aber von der eigenen Partei eingebremst.


Wer regelmäßig die Sites von Medienkultur-Institutionen besucht oder von denselben mit Infos versorgt wird, weiß es schon seit April: Konrad Beckers Institut für neue Kulturtechnologien, Public Netbase t0, das sich seit 1994 von einer kleinen Internet-public-access-Initiative zu einer angesehenen Unternehmung im Netzwerk verwandter Institutionen in Europa entwickelt hat, ist ab 30. April 2001 vielleicht nicht mehr Teil des Museumsquartiers (Muqua) in Wien. Auf jeden Fall nicht in seiner gegenwärtigen Form mit seiner inhaltlichen Autonomie.

Kultur-Shopping-Mall versus zeitgenössischer Diskursplatz

Es würde den hier vorgegebenen Webspace bei weitem überziehen, die seit 1977 laufenden kulturpolitischen Auseinandersetzungen um die Errichtung des Muqua nur annähernd komplett darzustellen. Im Festtagstaumel des näherrückenden Termins einer Teileröffnung im nächsten Jahr wird gerne vergessen, dass der von dem Architekten-Duo Ortner & Ortner in ihrer Planung vorgesehene Medienturm, der zugleich ein Wahrzeichen für das insgesamt 60.000 Quadratmeter umfassende Kulturareal hätte sein sollen, schon bald nach Vorstellung des 1990 prämierten Modells einer Kampagne der Kronen-Zeitung bzw. dem Herausgeber Hans Dichand zum Opfer gefallen ist. Oder, dass noch 1996 die Firsthöhen der zu errichtenden Gebäude mittels BaukräneN und Stangen für den Vorprüfungsbeirat des Denkmalamtes visualisiert wurden und das in ebendieser Österreichs auflagenstärksten Boulevardzeitung kommentiert wurde. Die Errichtung der Solitärbauten, wie das Museum Moderner Kunst - Sammlung Ludwig, Kunsthalle Wien und das Museum Leopold, nähert sich heute der Fertigstellung. Letzterer Bau wird die Sammlung Österreichischer Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts von Rudolf Leopold beinhalten, wobei der Sammler auch gleich als Direktor dem Museum vorstehen wird. Künstlerheroen, wie Klimt und Schiele versprechen hier den erwarteten Publikumsandrang, plus weiterer Einnahmemöglichkeiten, die vom Museums-Shop bis zu den am Areal befindlichen Gastronomiebetrieben reichen werden.

Bei einem Großprojekt dieser Art, veranschlagte Errichtungskosten gesamt netto 2,0 Mrd. ATS, sind die Auseinandersetzungen zwischen diversen gesellschaftlichen Macht- und Interessensblöcken nicht weiter verwunderlich. Das Muqua soll ja schliesslich ein Einsatz im Kampf um Kunden- und Kapitalströme sein, ein kulturtouristischer Hit im Wettbewerb der Städtekonkurrenz. Wem interessiert da schon die kritische Vermittlung Neuer Medien mit über tausend Kunst- und Kulturprojekten, wie im Falle von t0 oder die Diskussion um die soziopolitische Funktionalität der Kunst, wie das ein anderer ´Drittnutzer´ der Großbaustelle, die Institution Depot, sich seit ihrem Bestehen zur Aufgabe gemacht hat, und jetzt möglicherweise ebenfalls in ihrer Existenz bedroht ist. Das Muqua ist - Kultur hin und Kunst her - eine Immobilie mit gewaltigen Ausmaßen, die unter dem neoliberalistischen Slogan "Freiheit für das Kapital" kräftig bewirtschaftet werden soll.

So genannte unabhängige Initiativen eignen sich vortrefflich für die PR in der Bauphase, beleben die Wüstenei einer Großbaustelle immerhin über Jahre und tragen so nebenbei auch noch zur Erhaltung des zur Renovation anstehenden Altbestands bei. So in etwa, wenn auch unausgesprochen, die Sichtweise des städtischen Managements.

Auftakt: Widerruf der Prekarien.

Das galt aber alles schon während der Zeit der Koalition zwischen den damaligen Großparteien SPÖ und ÖVP. Unter der neuen rechten Regierung, der FPÖVP-Koalition, zeichnet sich erwartungsgemäß eine Verschärfung der Situation ab. Im Falle des Muqua, seitdem der neue Leiter der Museumsquartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH (MQ E+B) Wolfgang Waldner heißt. In dieser Funktion war er allerdings schon Monate vor der Regierungsbildung. Bei seinem Parteichef - heute Bundeskanzler - Wolfgang Schüssel in Ungnade gefallen, war der ÖVP-Mann bei seiner Bestellung auch den Sozialdemokraten genehm. Aber schon im Sommer 1999 mussten die Betreiber von Public Netbase t0 zur Kenntnis nehmen, dass die Ovalhalle H, in der ein bereits ausfinanzierter Media-Space geplant war, für die Präsentation eines Modells des Muqua vergeben worden ist. Plötzlich galt nicht mehr, was Vorgänger von Waldner oder Ansprechpartner in der Politik zuvor in Aussicht gestellt hatten. Nämlich, dass t0 ein unverzichtbarer und integraler Bestandteil des neuen Museumsviertels sei, nicht zuletzt seit dem Wegfall des ursprünglichen Inhalts des Medienturms. Mehrere Versuche seitens t0, mit der MQ E+B eine andere Ersatzlösung zu finden, blieben erfolglos.

Der jetzige Standort von t0 im alten Fischer-von-Erlach-Trakt steht fraglos zur Renovation an und schon ab Sommer dieses Jahres muss mit Einschränkungen im Betrieb gerechnet werden, wie im Schreiben des Prekariumwiderrufs zu lesen ist. Ein solcher Vertrag hält lediglich fest, dass Vereinen als ´Drittnutzer´ bis auf Widerruf Räume ohne Mietenzahlung überlassen werden. Die Prekarien sind so in gewisser Weise auch versteckte Subventionen an die Vereine. Der Beginn der Umbauarbeiten wird als Grund für die Kündigung der Prekarien aller Drittnutzer angegeben. Waldner kann also gegenüber der Öffentlichkeit mit Unschuldsmiene behaupten, dass die Aufregung darüber in der Szene lediglich "ein Sturm im Wasserglas" sei. Bei genauerer Betrachtung der Gesamtsituation schaut das aber schon anders aus.

Wolfgang Waldner hat seit Februar dieses Jahres nicht nur eine Regierung bzw. eine Erklärung derselben hinter sich, in der eine Förderung der zeitgenössischen Kunst nicht vorgesehen ist, sondern auch den neuen Kunststaatssekretär Franz Morak. Morak, der bei jeder Gelegenheit betont, dass er die Anliegen der Künstlerschaft sehr gut versteht, weil er doch auch Künstler sei, hat schon als ÖVP-Kultursprecher seine Sicht der Kunst auf die Formel ´Kunst ist Wirtschaft´ verkürzt. Moraks Abstieg vom Burgtheaterschauspieler zum Mitglied einer Regierung, die nur mit Hilfe der faschistoid-populistischen FPÖ Zustande gekommen ist, würde selbst eine satte Tragikomödie hergeben. Dass Drittnutzer, wie t0, Depot und Basis Wien - allesamt Institutionen, die dem Bundeskuratorenmodell der vormaligen Großkoalition entstammen - der Morakschen Kunstsicht, wie der der Regierung insgesamt, geradezu diametral gegenüberstehen, läßt für die Betroffenen den Entzug ihrer Existenz mit Recht befürchten. Und dass Waldner als einstiger Leiter des Kulturinstituts in New York "mitunter Künstlern in den Rücken fiel, statt sie zu unterstützen" (Der Standard, 28. Aprl 2000, S. 18), gibt auch nicht gerade Anlass für einen Vertrauensvorschuss.

Der Hauswart als Programmgestalter? Obsolete Denkfiguren versus "Tausend Plateaus".

Eventueller Ausweg aus dem Dilemma für die erstmal gekündigten Drittnutzer wäre ihre Unterordnung in eine zentralistische Organisationsform, wie bislang geheime Konstruktionspläne verraten. Oberster Chef wäre der Leiter der MQ E+B GesmbH, also Waldner. Die MQ E+B GesmbH, die bislang in einer Art Hauswartrolle des Muqua aufgetreten ist, würde damit in die inhaltliche Programmierung der bisher parteiunabhängigen und allen Parteien gegenüber kritischen Institutionen eingreifen können. Das wäre zwar nur einerseits ein weiterer Fall, wie es für diese neue Regierung in Österreich charakteristisch ist. Nämlich Personen mit Machtbefugnissen auszustatten, die sich in der Folge für die vorgesehenen Bereiche als völlig inkompetent erweisen. Andererseits ist das ein schwacher Trost für die Betroffenen, die in dieser Option nur die sprichwörtliche Rute im Fenster erkennen können, nach dem Motto: beigeben oder gehen.

Eine Institution wie Public Netbase t0 muss Morak ein besonderer Dorn im Auge sein. Schon als ÖVP-Kultursprecher war er bemüht, irgendwie an die Wiener Medienkunstszene anzudocken. Zu dieser Erfolglosigkeit gesellte sich im März dieses Jahres auch noch die Aussage des Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel, der via Medien meinte, dass die quasi Drahtzieher der anhaltenden Demonstrationen gegen die Regierung ein Verbund von 68er- und Internetgeneration sei. Ausgerechnet am 1. Mai lud Schüssel dann die Medien zu ´seiner Runde´ mit New Economy-Experten ein und verwies vor laufender Kamera darauf, dass zur selben Zeit die Vertreter der Old Economy über die Ringstraße marschieren. Derartiges hat inzwischen schon Methode. Nämlich, dass diverse Politiker dieser Regierung immer wieder mit untauglichen Mitteln nachträglich versuchen, ihre verbalen Entgleisungen zu relativieren. Schüssel wollte nach seiner Diagnose zu den Demonstrationen doch nicht beim Internetimage für seine Partei völlig leer ausgehen.

Die ÖVP ist zwar die Wirtschaftspartei, ist aber mit ihrem erzkonservativen Flügel zugleich mit dem Image behaftet, unverdrossen das bürgerliche Kulturmodell hoch halten zu wollen. Dem scheint Morak mit seinem Hohelied von der Partnerschaft zwischen Kunst und Wirtschaft vorbeugen zu wollen. Intellektuell ist das aber alles sehr dürftig. In der Wiener Kultur- und Kunstszene bleibt Morak ein Minusmann. Unlängst hat der Direktor der Kunsthalle Wien, Gerald Matt, ein künftig fixer Nutzer des Muqua, in einer Kolumne zum aktuellen Muqua-Streit die "Rhizom-Denker Deleuze/Guattari" und ihre "Tausend Plateaus" beschwört (Falter 17/00, S. 6). Die neuen kulturpolitischen Macher der ÖVP wollen der Komplexität aber weiterhin mit einer in einem neuen Denken längst obsoleten Zentralisierung beikommen.

Quartier 21: eine Art ÖVP-Kommandozentrale in Sachen Kulturpolitik?

Und sie haben auch schon einen Namen für das Konstrukt, dass die Institutionen der Muqua-Veteranen quasi schlucken soll. Vorerst hieß das wenig originell "future lab" und hat sich mittlerweile zu "Quartier 21" entpuppt. Schon am 5. April hat Morak im parlamentarischen Kulturausschuss die Evaluierung des Bundeskuratorenmodells angekündigt. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem Diskussionsprozess "in enger Kooperation mit dem bisherigen Standort der Kuratoren, dem Museumsquartier, und dem dort geplanten future lab." (Profil, 16/2000, S. 147) Diese Aussage erklärt nicht nur die bald darauf folgenden Kündigungen der Prekarien, sondern auch die Entschlossenheit Moraks, im jetzt so genannten "Quartier 21" eine Art ÖVP-Kommandozentrale in Sachen Kulturpolitik zu installieren. Das Gerede von der Entpolitisierung der Kultur seitens von ÖVP und FPÖ angesichts der Hegemonie der Sozialdemokraten in diesem Bereich wurde von der Szene ohnehin immer als Farce verstanden. Dem Kunststaatssekretär Franz Morak stünde jetzt besser an, sich zu seinem Auftrag zu bekennen. Nämlich für die politische Rechte in diesem Land, der er ja angehört, zum Kulturkampf aufrüsten zu wollen.

Für kritische Beobachter wird es also in nächster Zeit spannend. Wer wird und wie unter diesem Konstrukt Kooperationen eingehen? In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass Waldner dem Verein der Museumsfreunde, so wie Georg Schöllhammer für seine Springerin-Redaktion, schon nach dem 30. dieses Monats wegen der bevorstehenden Umbauarbeiten, Ersatzräumlichkeiten zu finden versprochen hat. Weiters hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Noch-Festwochen-Intendantin Hortensia Völckers als nächste Bundeskuratorin die Leitung des Quartier 21 übernehmen könnte. Darauf angesprochen winkt Völckers ab, bekennt aber ein, "als eine von 100 Stimmen" mit Waldner zur aktuellen Situation zu sprechen und ihn zu beraten. Im Zusammenhang dieser ´Beratertätigkeiten´ ist auch der Name Karel Dudesek aufgetaucht. Der Medienkunstveteran, vielleicht besser unter Van Gogh TV bekannt, ist Peter Weibel als Leiter der Meisterklasse für visuelle Mediengestaltung der Universität für angewandte Kunst in Wien nachgefolgt.

Inzwischen hat sich vergangene Woche der Wiener Gemeinderat in einem Mehrheitsbeschluss gegen die Kündigung der genannten Institutionen ausgesprochen. Die Eigentümer des Muqua sind die Republik Österreich mit 75% und die Gemeinde Wien mit 25% Anteil. Waldner beteuert, möglichst alle im Muqua behalten zu wollen. Fixe Zusagen könne es aber derzeit für niemanden geben. Gleichlautend auch die Aussagen der zuständigen Wissenschaftsministerin Gehrer (ÖVP) im Rahmen einer Pressekonferenz am 8. Mai, auf der das Marketingkonzept des Muqua vorgestellt wurde. "Dürftig für zehn Millionen Schilling", so der Tenor in den Medien zu diesem Konzept. In einem Interview für das Nachrichtenmagazin Profil wollte die Ministerin jedenfalls von den Plänen Moraks nichts wissen. Ministerin Gehrer: "Es werden ganz sicher keine fixen Kuratoren fürs Quartier 21 bestellt, die dann als Gönner tätig sind, bei denen man sich anstellen muss. Ich will ein internationales Expertengremium. Man soll nicht immer im eigenen Saft schmoren." (Profil 20/2000, S. 207) Das klingt doch recht vernünftig. Das Misstrauen seitens der Szene gegenüber Morak und Waldner bleibt allerdings weiter aufrecht.

~telepolis

12.11.2000

21.08.2000
17.05.2000

06.03.2000

 

 


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