TELEPOLIS
- magazin der netzkultur
Armin Medosch 21.08.2000
::Existenz von Netzkulturinitiativen
in Österreich gefährdet
:Bedrohte Netzkulturinitiativen
wenden sich mit Hilferuf an die "3 Weisen". Ist unter
der ÖVP-FPÖ-Regierung politische Gefälligkeit ausschlaggebend
für Förderung?
In
einem dramatischen Hilferuf an die "3 Weisen" versuchen
österreichische Netzkulturinitiativen ihre gefährdeten
Projekte zu retten. Die in den österreichischen Medien
als die "3 Weisen" titulierten, von der EU eingesetzten
Experten, Finnlands Ex-Präsident Martti Ahtisaari, der
spanische Ex-Außenminister und frühere EU-Kommissär
Marcelino Oreja und der deutsche Verfassungsjurist Jochen
Frowein, sollen herausfinden, ob die Lage in Österreich
mit der ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung die Aufhebung der
EU-Sanktionen rechtfertigt. Die Botschaft der Netzeristas
an die "3 Weisen": In Österreich herrscht keine Normalität.
Ein
halbes Dutzend an Netzkulturprojekten in mehreren österreichischen
Bundesländern, die eine Vielzahl an Funktionen erfüllen,
vom Internetzugang für Kulturinitiativen und Künstler
über das Webhosting bis hin zu herausragenden Netzkunstprojekten
und Veranstaltungen, ist von einem totalem Entzug der
Fördermittel bedroht. Schon vor Monaten hatten die nichtkommerziellen
Organisationen ihre Förderanträge eingereicht. Die zuständige
Abteilung in der "Sektion Kunst", der sogenannte "Medienkunstbeirat"
hat diese Anträge positiv beurteilt. Danach muss nur
noch der zuständige Staatssekretär seine Unterschrift
unter den Förderbescheid setzen, normalerweise eine
Formalie. Doch dem neuen Staatssekretär, Ex-Burgschauspieler
Franz Morak, wird keine große Liebe für Netzkulturinitiativen
nachgesagt. Woche für Woche verstreicht, ohne dass der
erwartete Bescheid einlangt.
Die
Netzkulturinitiativen, die bereits zum Jahresbeginn
ein konsortium.Netz.kultur als gemeinsame Lobbying-Plattform
gegründet hatten, fürchten politische Absichten hinter
der Verzögerungstaktik - die finanzielle Austrocknung
der freien Medienszene. Für die meisten von ihnen bestehen
die Fördermittel jeweils zu einem Drittel aus Mitteln
von Bund, Land und Stadt. Solange der Bund nicht zahlt,
geben auch die anderen Stellen keine Förderzusagen.
Für einige der im konsortium.Netz.kultur gemeinsam auftretenden
Vereine droht schon im Herbst ein frühzeitiges Ende.
Am deutlichsten spricht Martin Wassermair von Public
Netbase aus, was wohl viele denken:
Die Kulturserver (allen voran
Public Netbase) spielen für den österreichischen
Widerstand gegen die Regierung von FPÖ und ÖVP eine
wichtige Rolle, weil sie Plattformen ermöglichen, auf
denen der Protest und die Dissidenz in vielfältiger
Form zum Ausdruck kommen. Die Netbase selbst hat sich
von Anfang an mit einem Webprojekt auch aktiv daran
beteiligt, das seitdem für großes Aufsehen sorgt - government-austria.at/.
Martin Wassermair, Public Netbase
Public
Netbase steht insbesondere im Kreuzfeuer. Dem international
anerkannten Projekt wurden mit Wirkung vom April 2001
die Räumlichkeiten im Museumsquartier in Wien gekündigt.
Darüberhinaus flatterte dem Verein Ende Mai ein Schreiben
ins Haus, dass demnächst eine Wirtschaftsprüfung über
die sachgemäße Verwendung von Fördermitteln in den vergangenen
Jahren ins Haus steht. Laut Pressestatement von Netbase
wird die "sachgemäße Verwendung" allerdings ohnehin
Jahr für Jahr von den zuständigen Förderstellen geprüft,
die wiederum vom Österreichischen Rechnungshof kontrolliert
werden. Laut Netbase gab es noch nie eine Beanstandung.
Auch sei es unüblich, dass "eine Auftragserteilung an
ein privates Wirtschaftsprüfungsunternehmen im Kulturbereich"
erfolgt.
Staatssekretär
Morak rechtfertigte die Entscheidung für die Wirtschaftsprüfung
damit, dass sie auf einer "Empfehlung des Medienkunstbeirats"
basiere. Doch im Anschluss an diese Äußerung Moraks
distanzierte sich der Medienkunstbeirat entschieden
und sagte, solche Empfehlungen abzugeben sei nicht seine
Aufgabe. Public Netbase t0 stellte im Rahmen eines öffentlichen
Schlagabtauschs konfrontativ die Frage an den Staatssekretär
Morak "ob politische Gefälligkeit das ausschlaggebende
Kriterium einer Förderung" sei.
Darüberhinaus
attestiert man dem neuen Staatssekretär Franz Morak
auch einfach "Inkompetenz bezüglich des Bedeutungszusammenhangs
von Kunst, Kultur, Technologien und der politischen
Verantwortung" seitens Publich Netbase. Dazu käme ein
"neoliberales Festhalten an der vorgeblichen "Heilswirkung"
des freien Marktes". Letzterer Vorwurf wird von verschiedensten
Seiten wiederholt. Morak trete trotz seiner Funktion
als Staatssekretär für die Sektion Kunst nur noch auf
Wirtschaftsveranstaltungen auf, sagte eine Quelle in
Österreich, die nicht genannt werden wollte. In bestellten
Interviews unter Titeln wie "Wir sind eine Kontextgesellschaft"
präsentiert er sich als Wirtschaftsexperte. Sein Argument
gegen Förderung von Netzkultur: Unter den gegebenen
Umständen sollten gerade diese in der Lage sein, sich
am freien Markt selbst zu finanzieren.
Doch
lässt man den Infight zwischen Herrn Morak und Netbase
einmal beiseite, dann stellt sich die Frage, welcher
Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsprüfung bei Netbase
zu den Anträgen der anderen Netzkulturinitiativen besteht,
deren Anträge ebenfalls auf Eis liegen? Winfried Ritsch
von Mur.at: "Das Ärgste ist, keine Antwort zu bekommen".
Laut Ritsch ist Mur.at existenziell gefährdet. Um den
laufenden Betrieb zu finanzieren, habe man bereits persönlich
Schulden gemacht. Schon im September müssten alle Zahlungen
eingestellt werden. Ähnlich die Situation bei Servus.at
in Linz. Gabriele Kepplinger weiß nur, dass der Antrag
für Servus.at positiv weitergereicht wurde.
Was
niemand offiziell zugeben möchte aber in der Gerüchteküche
als der heißeste Tipp gehandelt wird: Das Staatssekretariat
erhofft sich, dass sich die anderen Gruppen von Netbase
distanzieren. Ein weiteres offenes Geheimnis, das zu
bestätigen sich aber niemand gerne ins Rampenlicht stellt:
Die Taktik der finanziellen Austrocknung alternativer
Medienkultur, sofern sie sich nicht politisch gefällig
gibt, betrifft nicht nur die Netzkultur; auch die Anträge
freier Radios und anderer Organisationen, die erst in
den letzten beiden Jahrzehnten eine Kultur der medialen
und kulturellen Vielfalt in Österreich aufzubauen begannen,
werden auf die lange Bank geschoben. Ein Minderheitensender
musste bereits zusperren, viele andere nichtkommerzielle
Gruppen und Organisationen sind von einem wirtschaftlich
motivierten Ende bedroht.
Mit
der Meinungsvielfalt ist es in dem Alpenstaat mit 8
Millionen Einwohnern ohnehin nicht weit her. "Alleine
die Haider-freundliche und EU-kritische österreichische
Tageszeitung "Neue Kronen Zeitung" verfügt mit einer
Reichweite von 42,5% über die Deutungsmacht der "österreichischen
Realität"", schrieb die Kulturpolitische Kommission,
die ständige gemeinsame Vertretung österreichischer
Berufs- und Interessenvertretungen der Kunst und Kultur
kürzlich in einer Presseaussendung unter dem Titel "In
Österreich herrscht keine Normalität". Das Kuratorium
des staatlichen Senders ORF wurde gleich nach der Regierungsbildung
handstreichartig mit einer ÖVO-FPÖ-Mehrheit besetzt,
der aktuelle Dienst des ORF zeigt sich bereits "in desolatem
Zustand", sagen Insider. Man könnte den Eindruck erhalten,
dass ÖVP und FPÖ nach einer totalen Dominanz aller Medien
streben, ganz im Milosevic-Stil. Es liegt nun an den
"3 Weisen", diese relativ subtilen und schwer zu objektivierenden
Vorgänge in einen politischen Kontext zu setzen und
bei ihrer Bewertung entsprechend zu berücksichtigen.
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