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TELEPOLIS - magazin der netzkultur
Armin Medosch 12.11.2000

 

::Kulturförderung als Politikum

:Die Wiener Netzkunst-Institution Public Netbase kämpft weiterhin gegen Staatssekretär Franz Morak und zunehmend ums finanzielle Überleben

Die international erfolgreiche Netzkunst-Institution Public Netbase kämpft um das Überleben, nachdem seit Monaten eine vom zuständigen Beirat bereits bewilligte Förderung vom Kunststaatsekretär Franz Morak zurückgehalten wird. Morak macht die endgültige Auslösung der Förderung vom Ergebnis einer Wirtschaftsprüfung abhängig und sagt, Public Netbase sei an der Verzögerung selbst Schuld, weil die Institution die lange angesagte Wirtschaftsprüfung verzögert habe. In einer gestern verbreiteten Presseerklärung wirft Netbase dem Staatssekretär vor, mit dieser Aussage im Budgetausschuss "wider besseres Wissen" die Unwahrheit gesagt zu haben. Mit einer Unterschriftenkampagne versucht die Netzkunst-Institution nun international Unterstützung zu aktivieren.

Ich denke, es gehört sich vorauszuschicken, dass ich in dieser Angelegenheit nicht neutral bin. Ich habe meinen Namen bereits unter die Unterschriftenliste gesetzt und empfehle es allen, die für die Freiheit der Kunst eintreten, die in einer Demokratie ein ebenso wichtiges Gut ist wie die Pressefreiheit oder der Schutz der Privatsphäre.

Spätestens als Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) kurz nach seinem Amtsantritt im Februar die "Internetgeneration" als Kern der Protestbewegung gegen seine Regierungskoalition mit der FPÖ identifizierte, war klar, dass der kulturell und politisch aktiven Netzszene in Österreich schwere Zeiten bevorstehen würden. Das alpenländische Kulturverständnis von Volkspartei und Freiheitlichen kollidiert mit dem auf Offenheit und internationalen Austausch gerichteten Verständnis der jungen Internetkultur.

Ginge es "nur" um die Auseinandersetzung zwischen Morak und Netbase, so könnte man denken, dass sich diese eben einfach nicht verstehen. Möglicherweise gab es auch tatsächlich Gründe für eine Wirtschaftsprüfung, man weiß ja nie. Doch die selbe finanzielle Hinhaltepolitik hat der Staatssekretär auch gegen andere österreichische Netzkultur-Institutionen an den Tag gelegt, so dass sich auch diese in ihrer Existenz bedroht sahen. Public Netbase ist einfach nur die größte, bekannteste und offensivste dieser jungen Initiativen.

Kulturkampfland Österreich

Zugleich kann ich diesen Streit, in dem es vordergründig "nur" um Fördergelder geht, nicht außerhalb des Kontexts sehen, was sonst in Österreich passiert. Der Koalitionspartner der ÖVP, die FPÖ, hatte gleich bei Regierungsantritt erklärt, dass die, die gegen diese Regierung demonstrieren, vor allem die Künstler seien, denen jetzt die Fördergelder gestrichen werden würden. Mit der Koalitionsregierung aus ÖVP und FPÖ ist offenkundig ein Kulturkampf in Österreich ausgebrochen. Das Unwort von der "entarteten" Kunst steht wieder im Raum. Doch wagt es auch ein Jörg Haider nicht, dieses auszusprechen. Also kürzt man die Mittel, da wo man es für angebracht hält. Haider, der nicht nur Landeshauptmann in Kärnten ist, sondern sich zugleich auch zum Kulturreferenten dieses Bundeslandes gemacht hat, ließ jüngst eine Ausstellung mit den renommiertesten Künstlern der Nachkriegszeit, darunter Arnulf Rainer, platzen.

Das Büro des Staatssekretärs Morak hat wiederholt behauptet, dass die Wirtschaftsprüfung bei Public Netbase nicht politisch motiviert und vom zuständigen Beirat empfohlen worden wäre. Doch der Beirat hat dieser Behauptung ebenfalls schon vor Monaten öffentlich widersprochen und bekanntgegeben, nie eine derartige Empfehlung ausgesprochen zu haben, weil das gar nicht in der Kompetenz des Beirats läge. Der Dachverband der österreichsichen Kunst- und Kulturinitiativen IG-Kultur hatte erklärt, dass eine Wirtschaftsprüfung bei einem Verein durch ein kommerzielles Prüfungsunternehmen ein noch nie dagewesener Präzedenzfall sei.

Ein gern übersehener Kernpunkt der Angelegenheit ist auch, dass normalerweise die Unterschrift des zuständigen Staatssekretärs unter einen Förderantrag, den ein Beirat bereits bewilligt hat, nur mehr Formsache ist. Gerade deshalb gibt es ja einen unabhängigen Expertenbeirat in der Kunstförderung, der Förderansuchen inhaltlich beurteilt, so dass Kunstförderung kein Politikum wird.Es ist ein international anerkanntes Prinzip der Kunstförderung, ob beim Arts Council of England oder dem Goethe Institut, dass nicht Politiker die Förderungen aussprechen, sondern Experten-Juries. Indem Morak die endgültige Absegnung eines von einer solchen Jury/Beirat schon im März bewilligten Ansuchens von einer Wirtschaftsprüfung abhängig macht, braucht er sich nicht zu wundern, dass diese Handlungsweise im Kontext des Kulturkampfes der ÖVP-FPÖ-Politker gegen die aufmüpfige "Internetgeneration" gesehen wird.

Mit dem Hinweis auf die Wirtschaftsprüfung macht es sich der Staatsekretär leicht. Alles sieht damit sehr objektiv und rechtmäßig aus. Allerdings ist diese Wirtschaftsprüfung inzwischen erfolgt und abgeschlossen. Worauf wartet Staatsekretär Morak also? Der böse Verdacht liegt nahe, er würde darauf warten, dass Public Netbase Konkurs anmelden muss, um sich mit fahrlässiger Krida nicht strafbar zu machen. Seine Parteikollegen in der ÖVP Wien haben jüngst ein Rettungspaket der Stadt Wien, wo sie zusammen mit der SPÖ regieren, blockiert.

Finanziell steht Public Netbase nun das Wasser mehr als nur bis zum Hals. Trotzdem gehen die Vorbereitungen für die Ausstellung und Konferenz World Information in Wien voll weiter. Das Programm, das Medien- und Netzkunst mit politischen Themen wie Überwachung und Zensur verbindet, hatte im Rahmen des Programms Kulturhauptstadt Brüssel 2000 international begeisterten Anklang gefunden. Public Netbase hatte für die Summe seiner Aktivitäten in diesem Jahr auch den Kunstpreis der Stadt Wien erhalten. All diese Erfolge scheinen Franz Morak wenig zu beeindrucken. Sollte er fortfahren wie bisher, hätte er bald die zweifelhafte Ehre, eine der erfolgreichsten österreichischen Kunstinitiativen auf dem vielversprechendem Gebiet der Netzkultur ausradiert zu haben. Sein Kanzler müsste sich dann weniger vor der Internetgeneration fürchten, denn dieser würde ein entscheidendes Stück Infrastruktur aus dem Backbone brechen. Seine Partei kann sich dann zufrieden der Pflege alpenländischen Kulturguts zuwenden, was immer das sei.

~telepolis

12.11.2000

21.08.2000
17.05.2000

06.03.2000

 

 


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