"Der Standard", 26.Mai 2000
::Museumsquartier und Zwickmühle
:Das Museumsquartier wird ab Juni
2001 sukzessive eröffnet. Die weiße Fassade
des Leopold Museums täuscht: Die Vertreter der
Gegenwartskunst sehen schwarz.
Thomas Trenkler analysiert.
Die Direktoren der großen staatlichen und städtischen
Institutionen, die im Museumsquartier (MQ) beheimatet
sein werden, haben es gut: Wie Gerald Matt (Kunsthalle
Wien), Lóránd Hegyi (Museum moderner Kunst)
und Rudolf Leopold (Museum Leopold) wissen auch Claudia
Haas (Kindermuseum Zoom), Sigrid Gareis (Tanzquartier)
und Dietmar Steiner (Architekturzentrum), welche Kubaturen,
welche Räumlichkeiten ihnen spätestens ab
dem Sommer 2001 zur Verfügung stehen.
Zudem können sie darauf vertrauen, auch in Hinkunft
mit einer Basisfinanzierung bedacht zu werden. Sie streiten
sich daher mit Wolfgang Waldner, dem Chef der Errichtungsgesellschaft,
eher um Kleinigkeiten: die Komplexität des Ticketsystems,
die Platzierung der Kassen, die Ausrichtung des Marketings.
Die Nutzer plädieren dabei in der Regel für
größtmögliche Autonomie, ihr Gegenspieler
wünscht sich zentralistische Einrichtungen.
Doch abseits tobt ein viel größerer, ein
kulturpolitischer Krieg. Die so genannten Drittnutzer,
kleine, feine Initiativen, die jährlich um Subventionen
ansuchen müssen und daher der Willkür der
Fördergeber unterliegen, fürchten derzeit
um ihre Existenz - im Museumsquartier und überhaupt.
Denn sie haben ihre Unterkünfte, die sie die letzten
Jahre entgeltlos nutzen durften, Ende April 2001 zu
räumen. Ob z. B. die Basis Wien, ein von Lioba
Reddeker als Bundeskunstkuratorin initiiertes Archiv
zeitgenössischer Künstler, oder der Verein
Depot, ein Diskussionsforum zur Kunsttheorie, nach der
anstehenden Renovierung des Fischer-von-Erlach-Traktes
wieder einziehen dürfen, ist mehr als ungewiss.
Schwerer Stand
Angesichts der schwarz-blauen Koalition hat der Dritte
im Bunde, Public Netbase t0, einen besonders schweren
Stand. Denn über den Internetserver dieses Zentrums
für Neue Medien - "t0" steht für
"Zeitachse null", also Gegenwart - laufen
z.B. die Aktivitäten der regierungskritischen Organisationen
get to attack, SOS-Mitmensch, no-racism.net und Volkstanz.
Der Wiener VP-Kulturstadtrat Peter Marboe verhandelte
mit Konrad Becker, dem Leiter von Public Netbase t0,
zwar einen heiß begehrten Dreijahresvertrag aus,
doch im Bereich des Bundes befindet sich die international
anerkannte Initiative in einer für sie unangenehmen
Zwickmühle: MQ-Chef Waldner (ÖVP) verlangt
für die Drittnutzer von der Politik budgetäre
Sicherheiten und Bekenntnisse, die Parteikollege Franz
Morak, der Staatssekretär, nicht zu geben gewillt
ist.
Museumsfachmann Dieter Bogner, ehemals MQ-Konzeptionist
und nun mit seinem Institut für Kulturwissenschaft
ein "Drittnutzer", befürchtet daher,
dass die "Kleinen" zwischen den Bundesmühlsteinen
zerrieben werden sollen. Und sorgt sich um die angedachte
Vielfalt wie Lebendigkeit des Kulturzentrums, das in
erster Linie der Repräsentation dienen dürfte.
Man sucht zur Zeit, wie es Beteiligten erscheint, fieberhaft
nach Gründen, die es ermöglichen, den Hund,
der die öffentliche Hand schon des öfteren
zumindest gezwickt hat, einzuschläfern - ohne aber
die politische Unliebsamkeit als Grund ins Treffen führen
zu wollen. Schließlich hatte sich der karenzierte
Burgtheaterschauspieler und Ex-Rocksänger früher
auch recht regierungskritisch geäußert.
Am Ballhausplatz wird daher auf bürokratische
Methoden zurückgegriffen, die Becker als "Politik
der allmählichen, aber zielgerichteten Repression"
bezeichnet. Denn jüngst ließ Morak den Wirtschaftsprüfer
Alpen-Treuhand beauftragen, die Verwendung der Subventionen
zwischen 1997 und 1999 "auf den Widmungs- bzw.
Förderungszweck der Subventionen" hin zu überprüfen.
Obwohl Becker Jahr für Jahr Bilanz legte, obwohl
der Controller und Unternehmensberater Contrast dem
Medienzentrum im März 1999 ein ausgezeichnetes
Zeugnis ausstellte - und vor einer weiteren Unterfinanzierung
eindringlich warnte.
Am Donnerstag gab der 40-jährige Medienkünstler
daher zusammen mit Thomas Huebel, dem Depot-Leiter,
und Lioba Redekker, der Basis-Archivarin, eine rege
besuchte Pressekonferenz. Bei dieser forderten sie Ersatzräumlichkeiten
im Areal während der Renovierungsarbeiten und einen
Weiterverbleib im fertig gestellten Museumsquartier:
"Wir erwarten Raumzusagen, die mit den Subventionszusagen
korrelieren", so Huebel. Schließlich, so
Becker: "Es geht um die Verteidigung der Zukunft
dieses Landes."
Konfrontationskurs
Waldner, der die unbequemen Institutionen zusammen
mit weiteren zu einem ihm unterstellten Quartier 21
zusammenfassen wollte, scheint den Konfrontationskurs
inzwischen aufgegeben zu haben. Denn der Wiener SP-Bürgermeister
Michael Häupl machte sich gegenüber der für
das Museumsquartier zuständigen Unterrichtsministerin
Elisabeth Gehrer (ÖVP) für die Drittnutzer
stark. Und auch der Gemeinderat sprach sich jüngst
für einen Verbleib der kleinen Organismen aus.
Der MQ-Chef gesteht gegenüber dem STANDARD sogar
Fehler ein: "Es ist mir nicht gelungen, meine Ziele
zu kommunizieren. Aber es ist mein definitives Interesse,
dass die Drittnutzer, die einen wertvollen Beitrag leisten,
im Museumsquartier verbleiben. Nur: Ich würde meine
Kompetenzen überschreiten, wenn ich Becker und
den anderen jetzt einen Mietvertrag gäbe."
Kreativität ist daher gefragt. Becker hingegen
rechnet mit dem Schlimmsten. Denn die noch freien Flächen
im MQ sind spärlich. Und an die 80 Institutionen
- darunter auch die Viennale, das Kunsthistorische Museum
(mit der Wotruba-Sammlung) und das Internationale Musik
Zentrum - begehren Aufnahme. (trenk)
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